53 fiziert hat, der das Nationalspieler-Sein so sehr gelebt hat, wie er. Heute, sagt Podolski, zucken seine Füße nicht mehr, wenn die Nationalmannschaft spielt. „Ich hatte eine über- ragende Zeit, ich will nichts missen“, sagt Podolski. „Aber meine Karriere in der Nationalmannschaft ist Vergangen- heit, und das kann ich gut akzeptieren. Andere sind nun am Zug.“ Das kölsche Original Lukas Podolski ist zu einem sehr welt- bürgerlichen kölschen Original geworden. Nach seinen Stationen beim FC und bei Bayern München hat er im Aus- land für den FC Arsenal, Inter Mailand, Galatasaray Istan- bul und Vissel Kobe gespielt. Und nun eben bei Antalya- spor wieder in der türkischen Süper Lig. Für den Fußballer Lukas Podolski sind dabei die Erfahrungen auf dem Platz wertvoll, für den Menschen Lukas Podolski die Begegnun- gen und Erlebnisse abseits des Platzes noch wertvoller. Podolski wählt dafür einen nicht ganz unkomplizierten Satz: „Mir bedeutet das viel, mir gibt es viel, mehr als den einen oder anderen Titel mehr, den ich möglicherweise hätte gewinnen können, wenn ich weniger gewechselt wäre.“ Was er meint: „Wenn ich auf der Domplatte mit Leu- ten ins Quatschen komme, dann erzähle ich nicht davon, dass ich in jedem Land, in dem ich gespielt habe, einen Titel gewonnen habe, ich erzähle davon, wie es in den Län- dern ist, welche Menschen ich kennengelernt und welche Erfahrungen ich gesammelt habe, wie die Mentalität und die Kultur sind.“ V E R E I N M I T P O T E N Z I A L Aus Japan kann er berichten, wie ihm dort der Respekt der Jüngeren gegenüber den Älteren imponiert hat. Die Freundlichkeit der Menschen, ihre Zurückhaltung, die Ordnung. Bei Vissel Kobe hat er im Rahmen der Profes- sionalisierung des Klubs viele Gedanken eingebracht, sei es beim Thema Ernährung, sei es beim Ausschöpfen der Möglichkeiten von Social Media, sei es bei baulichen Änderungen in der Kabine. „Es war eine tolle Zeit, wir haben uns dort sehr wohlgefühlt“, sagt Podolski über Japan. „Ich habe Vissel Kobe auf die Landkarte gebracht.“ In der Türkei begeistert ihn die Wärme der Menschen, ihre Begeisterungsfähigkeit und Emotionalität. Auch das Chaos, das sich dann doch immer irgendwie beherrschen lässt. Für Podolski ergibt sich aus diesen Gegensätzen als wohl wertvollste Erkenntnis seiner Auslandsabenteuer: „Dass wir uns als Familie auf so unterschiedliche Länder gut einstellen, dass wir uns an vielen Orten der Welt wohl- fühlen können.“ Nun also Antalya und Antalyaspor. Warum? Weil ihm die Türkei als Land gefällt. Weil ihm Antalya als Stadt gefällt. Weil ihm die Mentalität der Türken gefällt. Weil ihm der Fußball in der Süper Lig gefällt. Und weil Antalyaspor ein ambitionierter Verein mit großem Potenzial ist. Das Trai- ningsgelände bezeichnet er als eines der Top drei in Europa, der Kader sei talentiert, in der Rückrunde der vergangenen Saison, nach Podolskis Ankunft, hat Antalyaspor die dritt- meisten Punkte gesammelt. Vor der aktuellen Saison wurde das Team mit Prominenz verstärkt, die Podolski aus Deutschland gut kennt: Sidney Sam und Nuri Şahin. Was also ist drin für Antalyaspor und Lukas Podolski? „Um die Meisterschaft werden wir nicht mitspielen, das sind Hirn- gespinste“, sagt er. „Aber in Richtung der internationalen Plätze schielen wir durchaus. Wenn eine der großen Mann- schaften schwächelt, wollen wir da sein.“ F Ü R I M M E R F A N Podolskis Beziehungen zur Türkei sind schon länger eng. Viele seiner Freunde sind Türken oder haben türkische Wurzeln. Durch seine Erlebnisse in Istanbul und Antalya wurde die Verbindung noch mehr gefestigt. Schon immer war es so, dass Spiele zwischen Deutschland und Polen für ihn besondere Partien waren. Ist es mittlerweile ähn- lich, wenn Deutschland und die Türkei aufeinandertreffen? „Ich bin Fan der deutschen Nationalmannschaft. Ich drü- cke unserer deutschen Nationalmannschaft die Daumen, egal, gegen wen sie spielt“, sagt Podolski. „Die Türkei kann gerne jedes Spiel gewinnen. Außer wenn es gegen Deutsch- land geht.“ Oder gegen Polen. 35 ist Lukas Podolski mittlerweile. Mit André Schürrle und Benedikt Höwedes haben kürzlich zwei jüngere seiner Weltmeister-Kollegen von 2014 ihre Karrieren beendet. Podolski kritisiert nicht deren Entscheidung, er kritisiert die Kritik daran: „Jeder sollte das tun, was ihn glücklich macht. Wenn es bei beiden nicht mehr der Fußball ist, dann ist es nur konsequent, mit dem Fußballspielen aufzuhö- ren.“ Bei ihm ist es halt anders, seine Freude am Fußball ist ungebrochen. Aber Podolski weiß auch, dass der Herbst begonnen hat, dass die Uhr tickt. Und vage ist die nähere und mittlere Zukunft vorgezeichnet. Der Plan, als letzte Station seiner Laufbahn zurückzukehren zu seinem polni- schen Lieblingsverein Gornik Zabrze in Polen, steht unver- ändert. Aber es gibt ein paar Unwägbarkeiten. Podolski will keine Show, keinen Zirkus. Er sagt: „Ich will noch fit sein, der Mannschaft, dem Verein, der Jugend und der Region etwas geben können.“ R Ü C K K E H R N A C H K Ö L N Für die Zeit danach ist vorbesprochen, dass für Podolski Türen beim 1. FC Köln aufgehen. Auch hier schränkt er aber ein, seine Optionen für die Karriere nach der Karriere will er nicht einschränken. „Es wird nicht so sein, dass ich mit dem Fußball aufhöre und dann am nächsten Tag beim FC am Schreibtisch sitze“, sagt er. „Wir müssen eine Rolle finden, die zu mir passt, die mich erfüllt, die mir Spaß macht und in der ich mich sinnvoll einbringen kann. Heute kann ich noch nicht sagen, was genau das sein wird.“ Diese Zukunft sieht Podolski entspannt. Erstens, weil sie noch nicht begonnen hat, zweitens weil er weiß, dass sich ihm viele Optionen bieten werden. „Vielleicht stelle ich fest, dass es mir Spaß bringt, Jugend-Mannschaften zu trainie- ren, dann werde ich Jugend-Trainer“, sagt er. „Vielleicht intensiviere ich meine geschäftlichen Aktivitäten und werde Vollzeit-Geschäftsmann.“ Sehr am Herzen liegt ihm auch seine Stiftung; denkbar ist daher auch, dass er künftig seine ganze Kraft in die Stiftung steckt. „Ich glaube, dass ich viele Möglichkeiten haben werde, dass mir viele Türen offenste- hen werden, wenn ich mal kein Fußballer mehr bin – und das ist eine Basis, auf der man gut aufbauen kann.“ T E X T Steffen Lüdeke F O T O S (1) Picture Alliance/Sven Simon, (2) Getty Images/Lars Baron, (3) imago/Thilo Schmülgen