DFB-KULTURSTIFTUNG | 2022
Zwischen Erfolg und Verfolgung


VERFOLGT, ERMORDET, ABER NIE VERGESSEN

Seit 2015 setzt die Ausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung“ auf öffentlichen Plätzen Zeichen gegen Antisemitismus. Auch 2022 erinnert sie in neun Städten an das Leben, die Leistungen und das Leid jüdischer Sportstars.

Am 13. November, nach gut acht Monaten Laufzeit, fand  die Jahrestournee der Outdoor-Ausstellung nach Stationen in Osnabrück, Achern, Minden, Dorsten, Freiburg, Aachen, Darmstadt und Bielefeld in den Zwickau Arcaden schließlich ihren Abschluss. Und auch hier, auf der letzten Station im Jahr 2022, war sie

ein überraschender und nachdenklich stimmender„Stolperstein“

für einheimische Bürger und die Gäste der traditionsreichen sächsischen Stadt.

17 Sportler sind zu sehen, dargestellt als lebensgroße Plexiglas-Silhouetten, aufgenommen in grobkörnigem Schwarz-Weiß und in historischem Sportdress. Fechter, Ringer, Eishockeyspieler, Turner, Fußballer, alle erstarrt in ihren sportarttypischen Bewegungen. Wer – neugierig geworden – näher hinschaut und sich ihre Namen und Biografien auf der Figurenrückseite durchliest, findet schnell die Gemeinsamkeit: Es sind allesamt Sportstars ihrer Zeit, Olympiasieger, Weltmeister, Weltrekordler, Deutsche Meister. Herausragende Athleten im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts. Und es sind Juden, Opfer des monströsen nationalsozialistischen Rassenwahns nach 1933.

Einer von ihnen war Gottfried Fuchs, der als Stürmer für den Karlsruher FV und die Nationalmannschaft kurz vor dem Ersten Weltkrieg spielte und dabei reihenweise Tore erzielte. Mehr übrigens im Schnitt als später Gerd Müller, Klaus Fischer oder Miro Klose. Einmal sogar zehn Stück in einem Spiel. 1912 war das, beim olympischen Fußballturnier gegen Russland. Ein bis heute gültiger und wohl nicht mehr zu brechender Rekord in der deutschen Länderspielgeschichte. Neben ihm sein kongenialer Sturmpartner Julius Hirsch, 1943 im KZ Auschwitz ermordet, und Walther Bensemann, Gründer zahlreicher Traditionsvereine und des „kicker“, der Mann, der dem DFB seinen Namen gab. Auch Helene Mayer ist da, die Fecht-Weltmeisterin und Olympiasiegerin. Die Ringer-Europameister Julius und Hermann Baruch und Emanuel Lasker, 27 Jahre ununterbrochen Weltmeister, für viele das größte Schachgenie aller Zeiten.

„Diese Sportler“, so Eugen Gehlenborg, Vorsitzender des Kuratoriums der DFB-Kulturstiftung, „verbinden zwei Dinge: Sie waren begeistert für den Sport und haben, als er noch nicht so populär war wie heute, zu seiner Erfolgsgeschichte beigetragen. Und sie wurden, nur weil sie Juden waren, nach 1933 aus ihren Vereinen ausgeschlossen, entrechtet, gedemütigt und vertrieben. Sieben von ihnen wurden ermordet oder in den Selbstmord getrieben. Wir dürfen diese Geschichte nicht vergessen und tragen Verantwortung dafür, dass sie sich nicht wiederholen darf.“

Aber welche Wirkung haben Ausstellungen wie diese, wenn auf Fußballplätzen und in Stadien immer noch antisemitische Schimpfworte geschrien, nationalsozialistische und rechtsradikale Symbole gezeigt werden? Wenn Makkabi-Vereine regelmäßig das Ziel von Beleidigungen, Bedrohungen und Angriffen werden, wenn Juden Angst haben müssen, ihre Kippa auf der Straße zu tragen, wenn rechtsoffene Parteien in Parlamente einziehen und die Grenzen des wieder Sag- und Denkbaren immer weiter ausdehnen? Indem man, so die Antwort, die Erinnerung bewahrt und weiterträgt, die manche knapp 80 Jahre nach Ende der NS-Diktatur gerne endgültig in die Ablage der Geschichte schieben würden. Und dadurch, dass man die schweigende Mehrheit dazu aufruft, „Nein“ zu sagen – auch und gerade, wenn es anstrengend wird. Wie auch die Ausstellung, die sich nicht hinter Museumsmauern versteckt, sondern dahin geht, wo die Menschen sind: auf Marktplätze, in Einkaufsstraßen, vor Bahnhöfe in den großen und mittleren Städten der Republik. Und die mit dem populären Ansatz des Sports unermüdlich daran erinnert, dass jeder von uns Opfer von Ausgrenzung und Vernichtung werden kann, zu jeder Zeit. Egal ob Weltmeister, Weltrekordhalter oder Olympiasieger.

Die Ausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung“

Die Ausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung – Jüdische Stars im deutschen Sport bis 1933 und danach“ ist ein Projekt des Zentrums deutsche Sportgeschichte Berlin-Brandenburg, initiiert und gefördert von der DFB-Kulturstiftung und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Ursprünglich konzipiert für die European Maccabi Games 2015 in Berlin, war sie als Wanderausstellung auf zentralen Plätzen in 30 Städten ausgestellt und erreichte mehrere Hunderttausend Besucher. Sie wurde im Laufe der Jahre mehrfach angegriffen und teilweise zerstört.