DFB-KULTURSTIFTUNG | 2022
Fußballfilmfestival 11mm


„ALS PROMI HAT MAN HIER KEINE DICKE HOSE“

Bei der 18. Ausgabe des internationalen Fußballfilmfestivals 11mm in Berlin treffen Fußballgrößen wie Otto Rehagel, Gábor Király, Josephine Henning, Ansgar Brinkmann oder Manuel Gräfe auf Schauspieler, Künstler und Regisseure – und auf ganz normale Freundinnen und Freunde von Film und Fußball. Wie das kam und was daran so schön ist, wie Sepp Maier zum Regisseur wurde und welche emotionale Botschaft hinter dem aktuelle Festivalmotiv steckt, darüber sprechen Josephine Henning und der Festival-Leiter Birger Schmidt.

Herr Schmidt, im Laufe des Festivals haben einige Besucher gefragt, woher der Festivalname „11mm“ stammt.
Birger Schmidt: Das hat etwas mit acht und 35 Millimeter Film zu tun, und die Zahl „11“ spielt ja auch im Fußball – ob bei Spielern oder beim Elfmeterschuss – eine Rolle. Außerdem sollen 11 Meter Entfernung zur Kinoleinwand ideal für den besten Blick sein.

Sie feiern in diesem Jahr stolze 18 Jahre „11mm“. Wie entstand die Festivalidee?
Schmidt: In aller Bescheidenheit: Die Idee kam von mir und entstand in England. Dort gab es zur WM 2006 ein Fußballkulturprogramm. Zu dieser Zeit war ich für den British Council tätig und ich wurde auf etliche DVDs über Spiele und das Drumherum aufmerksam, welche es in Deutschland nicht gab. Daraufhin habe ich mich mit Freunden vom Verein „Brot und Spiele e.V.“ zusammengesetzt und ein Festival entworfen, auf dem zunächst nur britische Filme liefen. Im Nachgang erreichten uns Fußballfilmtipps aus aller Welt. Wenig später wurden wir von der ebenfalls gerade erst gegründeten DFB-Kulturstiftung „entdeckt“, die seitdem unser Hauptpartner und Förderer ist, wofür wir sehr dankbar sind. Die meisten Kolleginnen und Kollegen aus der Anfangsphase sind heute noch dabei. Quasi viele Nerds auf einer Stelle. (lacht)

Frau Henning, Sie sind eine erfolgreiche Fußballerin, Künstlerin und Kuratorin der DFB-Kulturstiftung. Und nun zum ersten Mal Mitglied der Jury des Festivals. Wie haben Sie Ihre Rolle erlebt?
Josephine Henning: Ich war positiv überrascht und finde die Varianz der Filme unglaublich, denn jeder einzelne ist kulturell wertvoll. So viele Filme zu suchen und auszusortieren, um schließlich ein Programm zu basteln, das von Donnerstag bis Montag solch eine intellektuelle und emotionale „Wertschöpfungskette“ für alle Zuschauer bietet, ist eine Kunst für sich. Ich war von Anfang an Fan und wollte unbedingt mitmachen.

Überwiegt für Sie als Ex-Fußballerin die fußballerische Leistung oder mehr Logik und Schnitt?
Henning: Ich kenne mich sowohl im Amateur- als auch Profifußball aus und wenn da etwas nicht logisch wäre, würde es mir auffallen und mich auch sehr stören. Am schwierigsten ist es bei Fußballfilmen, das schnelle Spiel einzufangen. Meiner Meinung nach hat es noch niemand geschafft, das abzubilden. Das hat immer etwas mit Zeit und Kameraschnitt zu tun, aber ich würde sagen, beim Anschauen achte ich schon sehr auf das Fußballerische.

Herr Schmidt, wenn Sie auf die letzten 18 Jahre zurückblicken, was war das absolute Highlight und unvergesslich?
Schmidt: Es gab zwei absolute Highlights, die uns sicherlich vorangebracht und den Bekanntheitsgrad des Festivals gesteigert haben. Das war einerseits dem Film mit Sepp Maier (2012, Anm. d. Red.) zu verdanken, der Privataufnahmen von der WM 1990 hatte und diese erstmals bei uns gezeigt hat. Das war Wahnsinn! Sepp Maier hat das mit großem Genuss verfolgt und sich an dem Abend nicht als Torwart, sondern als Regisseur gesehen. (lacht) Das zweite Highlight war vor allem ein persönliches. Vor einem Festival hatte ich noch gesagt, wenn es mal einen Film über Heinz Flohe geben würde, wäre das für mich das Allergrößte. Flohe war Mittelfeldspieler beim 1. FC Köln und mein absolutes Idol. Dann kriegen wir 2015 eine E-Mail, wo jemand schreibt, er hätte einen Film über Flohe gedreht, und der war auch noch richtig gut! „Der mit dem Ball tanzte“ hat den zweiten Preis bekommen und ist mein persönlicher Lieblingsfilm.

Gäste erzählen immer wieder vom tollen Austausch mit anderen Kinobesuchern. Würden Sie sagen, das ist das Alleinstellungsmerkmal von 11mm?
Henning:
 11mm bietet Geschichten über das pure Leben und das spürt man vor Ort. Deswegen kommen die Leute hierhin. Wenn ein Film aus ist und die Reihe vor dir über den Film spricht, man in berührte Gesichter blickt und sich auf dem Weg nach draußen auch einfach in andere Gespräche einmischt, um gemeinsam zu diskutieren, dann ist das der Unterschied zum „standardmäßigen“ Kinobesuch und ein riesiger Mehrwert.

Wie ist das diesjährige Festivalmotiv entstanden?
Schmidt:
 Ich habe Josephine beim 11mm als Künstlerin vorgeschlagen, daraufhin haben wir uns telefonisch ausgetauscht und währenddessen ist der Krieg in der Ukraine ausgebrochen. Damit war für Josephine schnell klar, was für ein Fokus das Motiv haben soll. Wir fanden es toll und nun hängt dieses meterlange Plakat hier über dem Babylon.

War es für Sie direkt klar, dass Sie die Ukraine-Thematik aufgreifen, als die Anfrage kam?
Henning:
Wir hatten die Thematik besprochen, das Motiv musste allerdings noch entstehen, und da war ich gefragt. Zur Friedensdemo in Köln habe ich ein großes Plakat gemalt, das dieses Mädchen zeigt, was jetzt 11mm ziert. Weil ich während der Demo leider Corona hatte, haben meine Freunde das Plakat neun Stunden lang durch ganz Köln getragen. Danach haben sie es mir zurückgebracht und ich habe daran weitergemalt.
Schmidt: Für mich war die Herausforderung wiederum, auf das Motiv auch im Programm Bezug zu nehmen. Das kleine Mädchen mit dem Ukraine-Shirt wäre auch schön gewesen, aber mit dem Hintergrund, dass es auf dieser riesigen Wiese sitzt, schließt sich der Kreis und wir haben nicht nur die Sonderreihe mit den Ukraine-Filmen, sondern auch den Themenschwerpunkt „Fußball und Heimat“ aufgegriffen.

Und das passt ja wiederum perfekt zum Rollrasen am Eingangsbereich des Kinos.
Schmidt:
 Genau. Als Prominenter hat man keine «dicke Hose», wenn man hierherkommt. Genau das ist mit dem grünen Rasen statt dem roten Teppich zu verstehen. Auf dem Rasen wird ein ehrliches Wort gesprochen. Hier geben und begegnen sich die Menschen anders, als wenn sie „glamourlike“ über den roten Teppich schreiten. Das gehört zur Seele des Festivals.

DFB: Was würden Sie sagen, warum muss man mindestens einmal beim 11mm gewesen sein?
Henning:
 Ganz klar: Weil du so was noch nie irgendwo gesehen hast. Wenn du vorher noch nie bei 11mm warst, kannst du das, was hier geboten wird, in Summe und Qualität noch nie erlebt haben. Du wirst absolut nicht enttäuscht, sondern super überrascht sein und viel mitnehmen.


UNSERE GESPRÄCHSPARTNER
Josephine Henning
ist bildende Künstlerin und ehemalige Fußball-Nationalspielerin. Mit Turbine Potsdam, dem VfL Wolfsburg, Paris St. Germain, Arsenal LFC und Olympique Lyon gewann sie u. a. viermal die Deutsche Meisterschaft und die Champions League. 2016 wurde sie Olympiasiegerin. Henning studierte Grafikdesign und Innenarchitektur und lebt in Trier.

Birger Schmidt
ist Gründer und gemeinsam mit Christoph Gabler Leiter von 11mm – das internationale Fußballfilmfestival. Der studierte Erziehungswissenschaftler und Anhänger des 1. FC Köln ist Geschäftsführer von Lernort Stadion e. V. 2019 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.