„Inklusion ist für mich ein Herzensthema“

Die rheinland-pfälzische Minister­präsidentin Malu Dreyer ist davon überzeugt, dass der Fußball eine besondere Rolle bei der Akzeptanz und Gleichstellung von Menschen mit Behinderung spielen kann. Die Arbeit der DFB-Stiftung Sepp Herberger hält sie für vorbildlich. 

Frau Ministerpräsidentin Dreyer, im vergangenen September übernahmen Sie die Schirmherrschaft für die erstmals ausgerichteten Fußball-Inklusionstage. Welche Eindrücke haben Sie vom Besuch der dreitägigen Veranstaltung in Trier mitgenommen?
Turniere aus verschiedenen Bereichen des Behinderten-Fußballs zusammenzubringen und diese auf dem Viehmarkt mitten in der Trierer Innenstadt zu spielen, fand ich eine großartige Sache. So wurde die Einheit, das „Zusammenspiel“ aller, sympathisch dokumentiert. Und sicher waren viele nicht behinderte Menschen zuvor noch nicht mit dem Behinderten-Fußball in Kontakt. So war es für mich wie für viele andere sehr interessant, den zweiten Spieltag der Blindenfußball-Bundesliga, die ersten Partien der neu gegründeten Amputierten-Fußball-Bundesliga sowie die Spiele des inklusiven Walking-Football-Turniers zu erleben. 

Die Premiere der Inklusionstage fand im Herzen von Trier statt, die Fortsetzung folgt in den kommenden Jahren auf dem Kölner Roncalliplatz, gleich im Schatten des Doms. Warum ist es sinnvoll, mit diesen Veranstaltungen an belebte Plätze mitten in der Stadt zu gehen?
Die Fußball-Inklusionstage stellen uns die vielen Facetten des Fußballs vor und bieten Menschen mit Behinderungen Raum, ihre Fähigkeiten und Talente einem breiteren Publikum zu zeigen. Und dies gelingt auf belebten Plätzen mitten in den Städten am besten. Inklusion ist für mich ein Herzensthema. Es ist unser Ziel, dass Menschen mit Behinderung in der Mitte unserer Gesellschaft selbstbestimmt leben können. Barrieren müssen überall konsequent abgebaut werden, sodass Teilhabe keine Grenzen mehr kennt. Ich bin ein Fan des Ansatzes, mit diesen inklusiven Fußballturnieren zu den Menschen in die Städte zu gehen und nicht auf Besuch in den Sportstätten zu warten. Ich hoffe, dass es viele Wieder­­holungen dieses Festes in Trier mit noch mehr Publikum geben wird. Der in der Kölner Innenstadt geplanten Veranstaltung wünsche ich erneut einen erfolgreichen Verlauf.

Als Ministerpräsidentin haben Sie die Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Inklusion in der Gesellschaft gut im Blick. Welche Rolle kann der Sport bei den Bemühungen einnehmen?
Der Sport spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Inklusion, da beim Sporttreiben Gemeinschaft gelebt wird. Dem Fußball kommt hierbei eine besondere Rolle zu, denn keine andere Sportart schafft es, so viele Menschen zu erreichen. Fußball begeistert und verbindet – egal ob auf dem Rasen oder auf der Tribüne, egal ob mit oder ohne Behinderung. Fußball für Blinde und Sehbehinderte, Fußball für Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung und der noch recht neue Walking Football gerade für ältere Menschen zeigen zudem die große Bandbreite im Behinderten-Fußball. 

Wie beurteilen Sie die Arbeit der Sepp-Herberger-Stiftung, die unter anderem die Blindenfußball-Bundesliga initiiert und die Inklusionsbeauftragten in den DFB-Landesverbänden eingerich­tet hat?
Die DFB-Stiftung Sepp Herberger als älteste Fußball-Stiftung in Deutschland geht mit gutem Beispiel voran und ist mit einem breit angelegten sozialen Engagement ein gutes Vorbild. Die Sepp-Herberger-Urkunden, der Behinderten-Fußball, die Resozialisierung, der Bereich „Schule und Verein“ und das DFB-Sozial­werk sind wertvolle Projekte und verdienen großen Respekt. Ganz besonders begrüßenswert ist, dass die Sepp-Herberger-Stiftung Inklusionsbeauftragte in den DFB-Landesverbänden etabliert hat. 

Sie haben vor einigen Jahren Ihre Mul­ti­ple-Sklerose-Erkrankung öffentlich gemacht. Bei längeren Wegstrecken be­nutzen Sie einen Rollstuhl. Damit be­sitzen Sie zweifellos ein besonderes Gespür für die Bedürfnisse von Menschen mit Handicap. Wie weit ist Deutschland auf dem Weg zu umfassender Barrierefreiheit und einem respektvollen Miteinander?
Für mich hat es eine große Bedeutung, dass Menschen mit und ohne Behinderungen die gleichen Chancen zur umfassenden Teilhabe bekommen. Barrierefreiheit ist dazu die grundlegende Voraussetzung, und zwar nicht nur in baulicher Hinsicht, sondern auch beim Zugang zu Produkten, Dienstleistungen und Informationen. Hier sind in den vergangenen Jahren sehr viele Fortschritte gemacht worden.