MITEINANDER IM LOCKDOWN

Der weltweite Ausbruch der Coronapandemie brachte auch für den Fußball drastische Einschnitte mit sich. Doch statt stur Kurs zu halten oder gar den Betrieb einzustellen, entschied sich die Sepp-Herberger-Stiftung, gänzlich neue Wege auszuprobieren. Mut und Kreativität statt immer weiter das Gleiche: Dafür stand denn auch einer der Preisträger bei der Verleihung der Sepp-Herberger-Urkunden im März des vergangenen Jahres.

Etwas Glück, eine glückliche Fügung, ohne geht es dann aber auch nicht. Als Pablo Ruiz Picasso am 25. Oktober 1881 geboren wurde, wäre es fast zu einer fatalen Fehlentscheidung gekommen. Die Amme meinte, es handle sich um eine Stillgeburt. Den kleinen Jungen wollte man schon aufgeben. Mit dem Frischgeborenen im Arm rannte ein Onkel zu einem Doktor in der Nachbarschaft und rettete so das Leben des Mannes, der wie kein anderer die Malerei des 20. Jahrhunderts prägen sollte.

Schon als Baby kritzelte der kleine Pablo endlos Spiralen aufs Papier. Zuerst am Institut für feine Künste in Barcelona, anschließend als junger Künstler in Paris, musste er die Krise der europäischen Malerei erkennen. Konventionen waren grau und leblos geworden. Schlimmer noch: Die Erfindung der Fotografie stellte die Malerei grundlegend infrage. 

Die Herausforderung, mit der sich die Stiftung im Frühjahr 2021 konfrontiert sah, lautete: Wie würdigen wir herausragende Leistungen des fußballerischen Ehrenamts, ohne gesundheitliche Risiken einzugehen? Es brauchte einen neuen Ansatz. Nähe schaffen trotz AHA-Regeln, trotz Lockdown Miteinander gestalten. Darum ging es. Und auch wenn die Analogie zwischen neuem Denken in der Malerei und neuen Gedanken bei der Stiftungsarbeit manchem bemüht erscheint, die Parallele ist vorhanden: Mitten in der Krise fand man einen neuen Anfang.

Prominente Gratulanten und 55.000 Euro Preisgeld

„Wir waren uns im Vorstand dann sehr schnell einig in der Idee, die Verleihung der Sepp-Herberger-Urkunden erstmals als TV-Format zu produzieren“, berichtet Stiftungsgeschäftsführer Tobias Wrzesinski. 

Am 29. März übertrug DFB-TV live aus dem Mannheimer Rosengarten und moderiert von Norbert König die Verleihung der Sepp-Herberger-Urkunden. Fritz Keller und İlkay Gündoğan meldeten sich aus dem Quartier der deutschen Mannschaft, Kuratoriumsmitglied Rea Garvey und Bundesliga-Schiedsrichter Patrick Ittrich gratulierten, und Lotte – damals im Duett mit Max Giesinger Chartstürmerin mit dem Song „Auf das, was da noch kommt“ – sowie natürlich die Söhne Mannheims sangen den Siegern ein Ständchen. Der besondere Clou: Alle 16 ausgezeichneten Vereine und Projekte waren zugeschaltet und konnten, ohne Reiserisiken einzugehen, der Verleihung vom eigenen Sofa aus beiwohnen. Mehr Prominenz, mehr Produktion und deutlich mehr Preisgeld – so antwortete man auf die Probleme der Pandemie. Insgesamt konnte man 55.000 Euro an die Preisträger verteilen.

Bonaszewski: „Niemand wird automatisch Mitglied im Verein“

„Wir müssen in der heutigen Zeit soziales und ehrenamtliches Engagement prägen“, formulierte DFB-Vizepräsident Dirk Janotta als Stiftungsvorsitzender die Grundgedanken der Ausrichtung. Über einen Scheck und den 1. Preis in der Kategorie „Schule und Verein“ durften sich Kurt Bonaszewski und der TSV Buchen freuen. Der nordbadische Verein hatte angesichts schwindender Mitgliedszahlen eine neue Idee entwickelt und die dann konsequent umgesetzt.

„Vor fast zehn Jahren haben wir uns entschieden, diesen Weg zu gehen, die Ent­scheidung haben wir zu keinem Augen­­blick bereut“, sagte der Vereins­vor­­si­t­zen­­de bei der Verleihung. Die Nord­badener hatten wie viele andere im Land erleben müssen, dass klassische Bin­dungskräfte – etwa Region oder Elternhaus – an Wir­kung verloren hatten. Kaum einer oder eine wurde automatisch Mitglied im sel­ben Verein wie die Mutter oder der Va­ter. Bonaszewskis Lösung: die möglichst frühe Ansprache.

Partnerschaften mit Schulen & Kitas

„Wir haben uns gefragt, wie wir unsere Idee wirksam und dauerhaft umsetzen können. Schließlich sind wir ein mittelgroßer Verein in einer kleinen Stadt“, berichtete Bonaszewski. Junge Mitglieder in einem Freiwilligen Sozialen Jahr entwickelten Partnerschaften mit Schulen und Kindergärten. Zwei FSJler sind heute teils mehrmals in der Woche in sieben Kindergärten und sieben Schulen unterwegs. Dabei gehe es gerade bei den Kleinsten explizit nicht um Fußball. „Wir wollen einfach den Spaß am Spiel mit dem Ball vermitteln.“ Faszien-training und Baby-Schwimmen zählen zum Sport­angebot des TSV Buchen, die Hip-Hop-Tanzgruppe wurde sogar schon Weltmeister. Und auch der Versuch, Kinder und Jugendliche früh schon mit dem Verein vertraut zu machen, brachte nachhaltigen Erfolg. „Auch die Schulen und Kindergärten werden durch unser Programm attraktiver“, beschreibt Bonaszewski die „Win-win-Situation“. Unterm Strich bleiben im Schnitt 30 neue Mitglieder für den Verein – pro Jahr.

Picassos Antwort auf die drohende Be­deu­­tungslosigkeit der Malerei, weil die Fotografie Wirklichkeit mindestens ebenso gut abbilden konnte, gab er im Jahr 1907 mit seinem Bild „Les Demoiselles d’Avignon“. Auf Herausforderungen krea­tiv und mutig reagieren, das wird nie alt. Auch nicht im Fußball.


ÜBERSICHT PREISTRÄGER 2021:

Behindertenfußball, 1. Platz: Ibbenbürener Kickers (FuLV Westfalen) 
Behindertenfußball, 2. Platz: TG Jahn Trösel (Hessischer FV)
Behindertenfußball, 3. Platz: TSV 1919 Metten (Bayerischer FV)
Resozialisierung, 1. Platz: SSV Buer 07/28 (FuLV Westfalen)
Resozialisierung, 2. Platz: Bramfelder SV von 1945 (Hamburger FV)
Resozialisierung, 3. Platz: VfB Stuttgart (Württembergischer FV) 
Schule & Verein, 1. Platz: TSV Buchen (Badischer FV) 
Schule & Verein, 2. Platz: FC Nordost Berlin (Berliner FV) 
Schule & Verein, 3. Platz: BSV Nordstern Radolfzell (Südbadischer FV) 
Fußball Digital, 1. Platz: Moabiter FSV (Berliner FV) 
Fußball Digital, 2. Platz: SC Borchen 1926/32 (FLV Westfalen) 
Fußball Digital, 3. Platz: FC Lauingen (Bayerischer FV) 
Corona-Engagement, 1. Platz: FV 1920/46 Berghausen (Südwestdeutscher FV) 
Corona-Engagement, 2. Platz: FSV Trier-Tarforst (FV Rheinland) 
Corona-Engagement, 3. Platz: Stiftung 1. FC Köln (FV Mittelrhein) 
Sozialwerk, „Horst-Eckel-Preis“: 1. FC Brelingen von 1961 (Niedersächsischer FV)